Portraits

 

Wir wollen dem ehrenamtlichen Naturschutz ein Gesicht geben und stellen deswegen auf dieser Seite einige unserer Helfer und ihre Aufgabengebiete vor. Dabei lassen wir sie auch selbst zu Wort kommen, was ihnen am Herzen liegt und warum sie sich mit einbringen. Das Spektrum reicht von Schutzgebietsbetreuern über Artenspezialisten bis zu Landschaftspflegern, Nistkastenbetreuern und Personen, die ganz spezielle Aufgaben wie die digitale Datenerfassung übernehmen.

 

» Betreuer des ältesten Naturschutzgebietes in Sachsen: Gotthard Tyrol » Vielseitige Botanikerin mit bemerkenswerter Kontinuität: Annett Schurig » Ruheloser Ornithologe
mit dem Zusatz „i.R.“:
Dietmar Spittler
» Spinnenexperte,
der das Vernetzen liebt:
Henning Haase
» Pilzkenner,
der auch gern zupackt:
Frank Großpietsch
» Studierter Ökologe,
der auch sensen kann:
Andreas Jedzig
» Ein Mann mit Forscherdrang und Sinn fürs Praktische:
Dr. Fritz Brozio
» Pensionierte Biologielehrerin mit Teamgeist:
Christine Brozio

 

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Gotthart Tyrol auf der Quellwiese am Rotstein – Foto: Jeannette Gosteli

Es vergeht kaum eine Woche, in der sich Gotthard Tyrol nicht auf den Weg zum Rotstein bei Sohland begibt. Aus gutem Grund: Die untere Naturschutzbehörde hat ihn 2015 mit der ehrenvolle Aufgabe betraut, sich um das dortige Naturschutzgebiet zu kümmern. Seine Liebe zu der markanten Bergkuppe hat der gebürtige Altlöbauer aber schon viel früher entdeckt. Er gehört zu den zwölf Gründungsmitgliedern des Rotsteinvereins, die 1990 am Grünen Tisch die Idee entwickelten, sich für dieses kostbare Juwel stark zu machen.

Gotthart Tyrol ist als Bauernkind aufgewachsen und kam daher schon früh mit der Natur in Berührung. Damals hatten die meisten Landwirte noch eine Beziehung zu ihrer Scholle und damit auch ein Herz für die Natur.

Rotstein, Blick von Osten – Foto: Rotsteinverein

Diese Haltung hat sich der studierte Landwirt auch in seiner beruflichen Tätigkeit als Ausbilder im Bauernverband bewahrt. Sein Credo lautet: Ein guter Landwirt ist auch ein guter Naturschützer“. Gotthart Tyrol ist einer von denen, die immer gern den Schulterschluss mit anderen Mitstreitern suchen. Deswegen nahm er den Kontakt zur Naturschutzbehörde und bildet nun eine tragfähige Brücke zwischen Vereinsarbeit und staatlichem Naturschutz.

Arbeitseinsatz des Rotsteinvereins 2015 – Foto: Rotsteinverein

Es sind vor allem die naturnahen Laubwälder und deren verschiedenen Nutzungsformen, die den Rotstein so interessant machen. Daneben finden sich artenreiche Trockenstandorte und Quellwiesen, die den Artenreichtum weiter in die Höhe treiben. Immer wieder zieht das 81,6 ha große Schutzgebiet Botaniker wie Zoologen an. Denn hier lassen sich Arten nachweisen, die extrem selten geworden sind. Dazu zählen beispielsweise  Haselmaus und Siebenschläfer. An Pflanzen verdienen es vor allem die Wiesengladiole und der Weidenblättrige Alant, erwähnt zu werden.

Die Aufgabe von Gotthart Tyrol ist es, ständig eine Auge auf den Rotstein und seine gefährdeten Tier- und Pflanzenarten zu haben – umso mehr, weil das Naturrefugium seit dem Jahr 2000 den Rang eines europäischen Schutzgebietes hat und zum Flora-Fauna-Habitatgebiet Oberlausitzer Basalt- und Phonolithkuppen gehört. Auf seinen Kontrollgängen achtet der Schutzgebietsbetreuer auf den Zustand der einzelnen Bereiche und schlägt Alarm, wenn Handlungsbedarf besteht. So gilt es zum Beispiel, wie auf dem Foto zu sehen, der zunehmenden Verschilfung von Feuchtwiesen Einhalt zu gebieten und die Beschilderung in Ordnung zu halten.

 

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Annett Schurig bei einer Weiterbildung für Naturschutzhelfer – Foto: Jeannette Gosteli

Naturschutz hat zahlreiche Facetten. Und diese Vielfalt spiegelt sich in großen Teilen auch in den Aktivitäten von Annett Schurig wider. Für die langjährige Naturschutzhelferin beginnt alles beim achtsamen Blick auf jede noch so kleine Kreatur. Der Respekt gegenüber allen Naturgeschöpfen wurde ihr schon in die Wiege gelegt. Besser gesagt: Sie hat sich diese Lebenseinstellung von ihrem Vater abgeschaut, der selbst jahrelang als ehrenamtlicher Artbetreuer für Amphibien und Reptilien tätig war.

Unscheinbar und doch von Annett Schurig geliebt: die Hartmans Segge (Carex hartmanii) – Foto: Kay Sbrzesny

Die Liebe zur Natur ließ die Zittauerin nie mehr los. Im Laufe der Zeit wuchs in ihr vor allem die Leidenschaft für die Botanik und mit ihr die Sorge um solche Pflanzen, die durch den rücksichtslosen Umgang des Menschen stark bedroht sind. Die Vorstellung, dass eine Art einfach so ausgelöscht wird, ist für sie unerträglich. Nicht nur, weil unsere Welt mit jeder verschwundenen Art ein Stück ärmer wird. Durch ihre Arbeit in der Apotheke ist sie mehr als andere damit konfrontiert, dass der Mensch bei Krankheit auf Heilmittel – auch auf Phytopharmaka – angewiesen ist. Und so sieht sie den Artenschutz noch von einem anderen Aspekt her und gibt zu bedenken: „Wir überblicken heute noch nicht, welche Heilkräfte und andere nützliche Wirkungen mit jedem Aussterben unwiederbringlich verloren gehen.“ Dass sich heute die Menschen wieder mehr für die heilsamen Wirkstoffe aus der Natur interessieren, spürt sie auch in ihrer eigenen Praxis für Naturheilkunde. Und sie weiß auch, wie wichtig Pflanzen für unsere Seele sind; sie bringen uns zum Staunen – durch ihre Schönheit und ihre grandiosen Überlebensstrategien.

Gemeinsame Freude beim Botanisieren – Foto: Jeannette Gosteli

Aus all diesen Gründen verbringt Annett Schurig viel Zeit im Grünen. Im Auftrag der Naturschutzbehörde betreut sie zwölf kleine Schutzgebiete (sogenannte Flächennaturdenkmale), die allesamt letzte Rückzugsgebiete für besonders seltene Pflanzenarten darstellen. Dazu gehören zum Beispiel das Staatliche Knabenkraut und die Silberdistel, aber auch weniger bekannte Arten wie die Graue Distel und die Hartmans Segge. Die Botanikerin befasst sich seit über 30 Jahren mit der Bestandsentwicklung dieser und anderer botanischer Raritäten. Sie bekennt ganz offen: „Kaum etwas ist beglückender, als ein neues Vorkommen zu entdecken und diese Freude mit anderen zu teilen.“ Deswegen hat sie auch den Botaniker-Stammtisch ins Leben gerufen. Mit regelmäßigen Treffen und anspruchsvollen Weiterbildungen sorgt sie für den fachlichen Austausch in der Region und knüpft Verbindungen zu wichtigen Forschungsinstanzen, wie dem Senckenberg-Museum, der Hochschule Zittau-Görlitz und der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz.

Sonderbehandlung für Silberdisteln (Carlina acaulis) – Foto: J. Gosteli

Doch Annett Schurig ist nicht nur eine wache Beobachterin und rührige Organisatorin; ihr liegt genauso der praktische Naturschutz am Herzen. Und so ist sie mitunter mit Hacke und Wasserkanister unterwegs und legt selbst Hand an, um die gefährdeten Pflanzenarten in ihrem Kampf ums Dasein zu unterstützen. Dieser Elan steckt auch andere an. Und daher ist es nicht verwunderlich, dass sie bei ihren zahlreichen Tätigkeiten immer auf treue Gefährten bauen kann. „Wenn ich dann sehe, dass die Arbeitseinsätze auch Erfolg zeigen“, so die Pflanzenexpertin, „dann ist das für mich nicht nur eine große Erfüllung, sondern auch immer wieder Antrieb, gemeinsam weiterzumachen“.

Text: Jeannette Gosteli, Kreisnaturschutzbeauftragte

 

 

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Am häufigsten ist Dietmar Spittler auf der Feldflur rund um Olbersdorf anzutreffen – sein Erkennungszeichen: das Fernglas.

Jeder hat so seine Lieblingswörter, die er oft und gern gebraucht. Für Dietmar Spittler ist es eindeutig das Attribut interessant“. Der Olbersdorfer findet so ziemlich alles interessant, was mit Naturschutz zu tun hat. Das fing schon auf der Oberschule an, als ihn ein Schulkamerad auf vieles Wissenswertes rund um die Natur aufmerksam machte. Später beim Armeedienst lernte er wieder einen Gleichgesinnten kennen, der auch aus dem Zittauer Land stammte und dasselbe Faible für die Vogelkunde hatte. Sie fassten kurzerhand den Entschluss: „Wenn wir wieder heim sind, dann schließen wir uns den Ornithologen an.“ Das war 1964. Inzwischen sind über fünfzig Jahre vergangen und die Leidenschaft für die gefiederten Gesellen ist kein bisschen verfolgen.

Seine besondere Aufmerksamkeit und Liebe gehört den Weißstörchen. Hier ein Horst in Bertsdorf. Foto: Gerd Goldberg

Mit dem Beitritt zur Fachgruppe Ornithologie Zittau begann für ihn die systematische Erfassung des Vogelbestandes. Auf Dietmar Spittler konnte man sich verlassen. Egal ob bei Wasservogelzählungen, bei speziellen Kartierungen oder der Mitwirkung beim Vogelatlas Deutschlands: Immer war er zur Stelle, wenn versierte Vogelkenner gesucht waren. Als 1973 nach über 24 Jahren Abwesenheit wieder der erste Weißstorch in Zittau landete, nahm sich der Ornithologe dieses imposanten Schreitvogels an. Die Störche wurden im Lauf der Zeit zahlreicher und mit ihnen der Betreuungsaufwand. Doch für Dietmar Spittler gibt es nichts Schöneres, als in seinen vielen Erfassungslisten einen Bruterfolg zu verzeichnen. Deswegen klappert“ er noch heute alle Horste ab, um zu sehen, wie es seinen Schützlingen geht.

An die Pflanzung dieser schönen Hecke am Bertsdorfer Kirchweg denkt Dietmar Spittler gern – wegen des Gemeinschaftssinns unter den Naturschützern und den Helfern der Pfarrgemeinde.

Es dauerte nicht lange, bis auch der damalige Kreisnaturschutz-Beauftragte Dr. Schulz auf Dietmar Spittler aufmerksam wurde. Er gewann ihn für die ehrenvolle Aufgabe des Naturschutzhelfers. Später hat ihn die Naturschutzbehörde sogar zum Artenschutz-Beauftragten für den Weißstorch“ berufen. Doch eigentlich wäre die Bezeichnung Storchenvater“ zutreffender; sie drückt weniger die Pflicht, dafür umso mehr die liebende Fürsorge aus, die ihn antreibt. Die offizielle Berufung hatte den großen Vorteil, dass der Hobbyornithologe auch im Auftrag des staatlichen Naturschutzes auftreten durfte. Das war mitunter hilfreich, wenn er mit Bauern, Jägern oder Forstleuten verhandelte. Mehr noch schätzte er aber das Miteinander der Naturschutzhelfer. Er erinnert sich gern: Wenn einer zum Arbeitseinsatz blies, da kamen wir alle zusammen – manchmal auch mit Kind und Kegel“. Damals wurden zum Beispiel die Silberdistel-Wiesen noch mit der Sense gehauen; heute haben Vereine oder das Naturschutzzentrum spezielle Technik, um die Flächen zu pflegen. Spannend empfand er vor allem die Zeit nach der Wende, als die Naturschutzbehörde viele Projekte startete und dabei auch die Naturschutzhelfer einband. Egal ob bei Heckenpflanzungen oder Bachrenaturierungen: Immer war der bescheidene Mann zur Stelle.

Erklären, zeigen, zum Mittun anregen so gewinnt Dietmar Spittler auch die Kinder vom „Zwergenhäusl“ für den Naturschutz. 

 

Doch als ob diese Aufgaben nicht schon genug für Hobby und Ehrenamt wären, hat sich Dietmar Spittler noch ein weiteres Betätigungsfeld gesucht. Er geht öfters einmal in das „Zwergenhäusl“, den Kindergarten in Olbersdorf. Die Kinder warten schon auf ihn, wenn er beispielsweise neue Nadelstreu für die Waldameisen bringt. So kann der Haufen im Kindergartengelände überleben, obwohl die letzten Nadelbäume längst gefällt wurden. Immer wieder rückt er auch mit Schmetterlingsraupen, Gewöllen oder Vogelringen an, um die Kinder für die faszinierende Natur zu gewinnen.

Inzwischen ist Dietmar Spittler schon viele Jahre Rentner. Doch an seiner Einstellung, dort zu sein, wo er gebraucht wird, hat das nichts geändert. Deswegen gefällt ihm auch der Spruch, den er einmal von einem Pfarrer aufschnappte: „i.R.“ heißt nicht „im Ruhestand“, sondern „in Reichweite“.

Text und Fotos: Jeannette Gosteli, Kreisnaturschutzbeauftragte

 

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Henning Haase ist eine Frohnatur, die sich immer wieder für neue Ideen begeistern lässt.

Wer Henning Haase befragt, was er als Naturschützer konkret macht, muss viel Zeit mitbringen. Denn er kann nicht nur viele Arbeitsfelder aufzählen, in denen er tätig ist; er kann auch viel berichten, was ihn daran fasziniert. Schon als Siebenjähriger wusste er, dass er einmal Tierschützer werden will; das ist sogar in einem Poesiealbum verbrieft. Der Zittauer fand später, wie er selbst sagt, „das perfekte Studium“. In Dresden und Zittau beschäftigte er sich mit angewandter Ökologie. „Die Ökologie hat einen weiten Blick auf Natur und Umwelt; das liebe ich an ihr“, gesteht der inzwischen ausgebildete Fachmann. Zwei Themen ziehen ihn dabei besonders an: die praktisch orientierte Botanik und die Spinnen. Grund dafür sind vor allem zwei Personen: der Dozent für Vegetationskunde, der ihn mit seiner Begeisterung regelrecht infizierte, und eine Spinnen-Expertin am Senckenberg-Museum, die ihn bei der Masterarbeit betreute. Nach dem Studium arbeitete Henning Haase zunächst als Fachgutachter in Marburg, bald aber lockte ihn ein Stellenangebot zurück in die Heimat.

Am liebsten packt der studierte Ökologe mit an – hier beim Einsatz auf einer Kiesinsel für die Große Flußufer-Wolfsspinne.

Doch bei der interessanten beruflichen Tätigkeit – diesmal mit Hundert- und Tausenfüßern – fehlte etwas Wichtiges: die körperliche Arbeit. Eine Ausgabe des jährlich erscheinenden Heftes „Naturschutzarbeit in Sachsen“ gab schließlich den entscheidenden Hinweis. In einem Artikel wurde über den ehrenamtlichen Naturschutzdienst berichtet. Das klang interessant! Und so wurde Henning Haase 2015 in die Gemeinschaft der ehrenamtlichen Naturschutzhelfer des Altlandkreises Zittau aufgenommen. Der Ökologe kommentiert diese Entscheidung positiv: „Ein Glückstreffer, denn die Zusammenarbeit mit dem rührigen Kreisnaturschutzbeauftragten ist richtig fetzig“. Das liegt vor allem daran, dass die Kommunikation stimmt: Man erfährt immer, wo was läuft.“ Und auch die Arbeitseinsätze machen Spaß – egal ob es darum geht, wertvolle Wiesen zu mähen, Barrieren für die Horstschutzzonen zu bauen oder für den Sonnentau zu entbuschen.

Hennings große Liebe: Spinnen – hier eine Torfmoos-Wolfsspinne (Pardosa sphagnicola), aufgenommen im NSG „Großer Kranichsee“, Foto: Konrad Kürbis

Derzeit ist Henning Haase Betreuer mehrerer Schutzgebiete; er ist aber auch für Neues offen. So könnte er sich gut vorstellen, auch Quartiere von Fledermäusen zu betreuen oder mehr für die Nachwuchs-Förderung zu tun. Der Einstieg in den ehrenamtlichen Naturschutzdienst hatte für den Spinnen-Liebhaber noch einen weiteren Vorteil: Er kam mit vielen Gleichgesinnten in Kontakt, die für den Naturschutz brennen. Und das wiederum schlug weitere Brücken zu Vereinen und Initiativen, die sich mit ganz praktischen Vorhaben befassen. Denn das ist für Henning Haase wichtig: Er will richtig anpacken und etwas bewegen. So lernte er über eine Naturschutzhelferin den Botaniker-Stammtisch kennen, dem er sich bald anschloss. Über einen anderen Naturschutzhelfer bekam er Kontakt zum Landschaftspflegeverband und damit zu Projekten, die nicht nur Kopf, sondern auch Muskelkraft erfordern. Deswegen kann Henning Haase auch voller Überzeugung sagen: „Der ehrenamtliche Naturschutz bietet eine gute Vernetzung – vor allem für Menschen, die irgendwo einsteigen möchten und einen Überblick erhalten wollen, was im Naturschutz so alles möglich ist.“

Weil kaum einer bereit ist, mit Schafen und Ziegen auf kleinen Flächen zu weiden, schaffte sich Henning Haase selbst Tiere an. Rechts: die pfiffige Gisela.

Auch beruflich hat es der Ökologe gut getroffen. Er arbeitet derzeit in mehreren interessanten Projekten mit, unter anderem bei einer grenzüberschreitenden Untersuchung, wie sich Grünland-Flächen artenreicher gestalten lassen. Das Ausprobieren liegt dem Vierzigjährigen. Doch als er die Option in Erwägung zog, artenreiche Flächen auch einmal nachzubeweiden, fand er keine Partner. Kurzerhand entschloss er, sich selbst Schafe anzulegen. „Wieder eine gute Entscheidung!“, lautet sein Resümee nach einem Jahr. Zu den hübschen Coburger Fuchsschafen sind inzwischen noch vorwitzige Burenziegen hinzugekommen. Beide Rassen sind äußerst genügsam und ergänzen sich auf den Flächen. Henning Haase erweist sich auch hier als Tierschützer. Denn er nennt nicht nur jedes Tier beim Namen; er kennt auch ihre Eigenarten. Gisela zum Beispiel ist eine ganz Intelligente; sie hört beinahe so gut wie ein Hund. Die „grünen Rasenmäher“ haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber der technischen Pflege: Man muss das Gras nicht fortwerfen. Deswegen träumt der Hobbyschäfer vom Aufschwung der vierbeinigen Naturschutzpflege.

Und man kann gewiss sein: Wovon er träumt; dafür setzt er sich auch ein.

Text und Fotos: Jeannette Gosteli, Kreisnaturschutzbeauftragte

 

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Frank Großpietsch ist ein Mann fürs Praktische: Kaum ein Arbeitseinsatz im Altlandkreis Zittau findet ohne ihm statt. Foto: Jeannette Gosteli

In diesen Tagen wird viel über Nachwuchsförderung im Naturschutz nachgedacht und in diesem Zusammenhang auch über aufwendige Projekte, Förderungen und Trägermodelle. Dabei gibt es einen viel einfacheren Ansatz: die Vererbung! Freilich ist damit nicht ein bestimmtes Naturschutz-Gen gemeint. Aber es scheint zumindest ein wirksamer Mechanismus zu existieren, mit dem die Naturschutzbegeisterung von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die Familie von Frank Großpietsch ist dafür ein eindrückliches Beispiel. Vater Martin gehörte zu den ersten, die in den fünfziger Jahren vom Staat zum ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten berufen wurden. Um Gleichgesinnte zu vereinen, gründete er 1970 unter dem Dach des Kulturbundes eine Ortsgruppe für Natur- und Heimatfreunde. Über drei Generationen hält bei der Seifhennersdorfer Familie das Interesse an der heimischen Natur schon an. Vater, Sohn und Enkelsohn – alle waren bzw. sind begeisterte Naturschützer.

Jedes Jahr eine Augenweide: die Orchideenwiese, die von der Seifhennersdorfer Naturschutzgruppe liebevoll gepflegt wird, Foto: Frank Großpietsch

Frank Großpietsch profitierte vor allem vom breiten Wissen des Vaters, der sich sowohl mit Pilzen, als auch mit Vögeln und Insekten beschäftigte. So streifte er schon als Kind mit Fernglas und Kescher durch Feld und Flur. Und er bekam einen Blick dafür, wie anfällig bestimmte Lebensräume gegenüber menschlichen Einflüssen sind. Machtlos musste er als junger Mensch zuschauen, wie brutal die moderne Landwirtschaft mit der Natur umging, zum Beispiel als der Kaltbach, ein kleines Naturparadies vor seiner Haustür, durch die Melioration in Rohre verschwand. Empört hat ihn auch, dass die ausgebrachte Gülle das Trinkwasser derart belastete, dass Babynahrung nur noch mit Mineralwasser zubereitet werden durfte. Mutig entschloss er sich, einfach nicht zur Wahl zu gehen – zu DDR-Zeiten oft die einzige Möglichkeit, seinen Unmut auszudrücken.

Der renaturierte Kaltbach – nahezu so schön, wie ihn Frank Großpietsch vor der Melioration als Kind erlebte, Foto: Frank Großpietsch

Nach der Wende ergaben sich dann auf einmal zahlreiche Möglichkeiten, vieles wiedergutzumachen. Deswegen sagte er sich: „Man muss etwas tun!“ und schrieb kurzerhand ein Projekt, wie der Kaltbach wieder ans Tageslicht gebracht werden könnte. Der gelernte KFZ-Schlosser gewann schließlich nicht nur die Seifhennersdorfer Naturschutzgruppe als Mitstreiter, sondern auch Stadträte, Forstleute und Genehmigungsbehörden. Der gebürtige Seifhennersdorfer erinnert sich noch gern daran, wie das Wasser das erste Mal  im neuen Bachbett herunter floss: „Momente, die man nicht vergisst“. Und bei diesem Projekt ist ihm eines klar geworden: „Wenn du etwas bewegen willst, musst du Motor sein!“

Beräumung von Mähgut – eine jährlich wiederkehrende Aufgabe für den Naturschutzhelfer

Deshalb übernahm Frank Großpietsch auch in der Folge immer wieder Verantwortung. Er trat der Naturschutzgruppe bei und ließ sich zum ehrenamtlichen Naturschutzhelfer berufen, Noch heute hat er als Betreuer zahlreicher Schutzgebiete ein waches Auge auf die letzten Naturrefugien in der Seifhennersdorfer Flur. Aber auch bei den praktischen Arbeitseinsätzen kann man sich auf ihn verlassen – nicht nur in Seifhennersdorf; auch wenn der Kreisnaturschutzbeauftragte andernorts zur Mithilfe aufruft. Schließlich ist Frank Großpietsch auch als Pilzexperte gefragt – sowohl bei der Meldung mykologischer Funde, als auch bei der Pilzberatung. Im Laufe der Zeit ist die Zahl der Naturschutzaktiven in Seifhennersdorf – wie auch in anderen Orten – stark geschrumpft. Von der einstigen Schar der Naturschutzhelfer sind gerade einmal zwei übriggeblieben. Auch die Mitglieder der Seifhennersdorfer Naturschutzgruppe sind zahlenmäßig kleiner und auch älter geworden. Und trotzdem halten sie allesamt die Fahne hoch und versuchen, nach besten Kräften einiges im Naturschutz zu bewegen. Meistens geht es um die Pflege der geschützten Wiesenflächen.

Über solche Funde kann sich Frank Großpietsch unheimlich freuen: der Schwarzblaue Ölkäfer (Meleo proscarabaeus), der ein ausgeklügeltes Fortpflanzungssystem hat, Foto: Frank Großpietsch

Was Frank Großpietsch trotz des schleichenden Rückgangs immer wieder motiviert, ist die Faszination an der Natur. Letztens fand er in einer Sandgrube einen Schwarzblauen Ölkäfer, der ihm durch sein archaisches Aussehen auffiel. Also recherchierte er und war verblüfft, welch faszinierenden Fortpflanzungsmechaismus sich die Natur ausgedacht hat. Das Weibchen legt bis zu 10.000 Eier, aus den Larven – sogenannte Dreiklauer – schlüpfen. Aber nur jene haben eine Chance, die von einer Biene aufgelesen und in den Bau getragen werden. Solche Erlebnisse spornen den Seifhennersdorfer an, immer tiefer in die Geheimnisse der Natur einzudringen und dieses Wissen an seinen Sohn weiterzugeben.

Text: Jeannette Gosteli, Kreisnaturschutzbeauftragte

 

 

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Andreas Jedzig: ein Naturschützer mit Sinn für‘s Praktische – beruflich wie privat

Vor hundert Jahren wäre Andreas Jedzig ganz bestimmt Kleinbauer geworden, denn dieser Beruf verband damals alle Vorlieben des Vierundvierzigjährigen: die Arbeit draußen in der Natur, der Umgang mit Nutztieren und die Bearbeitung von einem Fleckchen Erde. Heute kann keiner mehr von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft leben. Daher hat sich der gebürtige Friedersdorfer ein ganz besonderes Lebenskonzept ausgedacht: Er ist gleich in mehreren Bereichen tätig. Zum einen studierte er Ökologie und kann so seine Brötchen als Planer, Gutachter oder Berater für Naturschutzbehörden und Landwirte verdienen. Zum anderen führt er zuhause noch eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb. Reich wird man davon nicht, aber es ist ein schönes Gefühl, das eigene Obst und Gemüse anzubauen und ein paar Schafe auf der Weide zu haben. Und schließlich ist er noch Kreisnaturschutzbeauftragter und Vorstandsmitglied in der Löbauer Kreisgruppe des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). In diesen Funktionen hat er auch viel mit der Praxis einstiger Kleinbauern zu tun.

Sobald Andreas Jedzig vor die Haustür tritt, rennen ihm seine Kamerunschafe entgegen – kein Wunder: Er sorgt auch gut für sie.

Die Liebe zur Landwirtschaft haben ihm die Großeltern und Eltern mitgegeben, sein Faible für Naturschutz entdeckte er hingegen ganz allein. Schon als Kind stellte er sich oft die Frage: „Was wächst denn da?“. Dieses Interesse führte ihn in eine Arbeitsgemeinschaft, die ein Förster anleitete und in der auch Pflanzenkunde gelehrt wurde. Später wählte er seinen Zivildienst im Löbauer Umweltamt. Dort bekam er auch das erste Mal Kontakt mit dem ehrenamtlichen Naturschutzdienst und sagte prompt zu, auch selbst Naturschutzhelfer zu werden.

Ein Anblick, den Andreas Jedzig liebt: Altholz im Flächennaturdenkmal „Bei den großen Buchen“ bei Friedersdorf

Seit dieser Zeit kümmert sich Andreas Jedzig um die Flächennaturdenkmale in seinem Heimatort. Im Laufe der Jahre konnte der Naturschützer beobachten, wie sich die von ihm betreuten Altholzinseln verändern. Voller Staunen sagt er: „Es ist faszinierend, wie sich die Natur alleine organisiert; Altes zerfällt und Neues entsteht wieder.“ Und er ist auch stolz, die einzigen heimischen Weißtannen, die es weit und breit noch gibt, hüten zu dürfen. Die fast vierzig Meter hohen Bäume sind einem weitsichtigen Förster zu verdanken und dienen heute als wichtige Samenlieferanten. In Naturschutz-Kreisen ist Andreas jedzig vor allem durch seine Sensenkurse geschätzt. Denn der studierte Ökologe kann mit diesem alten Handgerät geschickt umgehen. Und so bringt er auch anderen das Sensen und Dengeln bei.

 

Andreas Jedzig haut seine Wiesenflächen noch mit der Sense; dieses Können gucken sich junge Naturschutzhelfer bei Sensenkursen von ihm ab.

Eigentlich hätte Andreas Jedzig mit seinem Beruf, der Nebentätigkeit als Landwirt und seinem Ehrenamt als Naturschutzhelfer genug zu tun. Aber er ist auch einer, der schlecht Nein sagen kann. Und so sprang er vor zehn Jahren noch in zwei große Lücken. Nach Tod bzw. Krankheit zweier Naturschutzkollegen übernahm er den Vorsitz der Löbauer NABU-Kreisgruppe und ließ sich auf Bitten der Naturschutzbehörde zum Kreisnaturschutzbeauftragten berufen. Manchmal ist es für ihn gar nicht so leicht, alle Funktionen sortenrein zu trennen, denn vieles ist miteinander verzahnt. Als Schafhalter ist er nicht nur Landwirt; er wird auch zum Landschaftspfleger, wenn er die Tiere auf Naturschutzflächen bringt. Und als Planer kann er den NABU unterstützen und Projekte voranbringen. So denkt Andreas Jedzig zum Beispiel gern an die kürzliche Wiederherstellung des Bornwäldchen-Teiches zurück. Aus einer Brennnesselflur wurde mit viel Einsatz eine Naturoase inmitten der Agrarsteppe. Geplant hat er dieses Vorhaben hauptberuflich, die Umsetzung aber erfolgte als NABU-Vereinsmitglied. Künftig betreuen wird er das Gebiet als Ehrenamtler. So fügt sich dann doch wieder alles segensreich zusammen.

Text und Fotos: Jeannette Gosteli, Kreisnaturschutzbeauftragte

 

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Fritz Brozio auf Exkursion an der Elbe, Foto: privat

 

Seine Ehefrau Christine lernte Fritz Brozio beim Studium kennen. Seitdem sind die beiden ein treues „Naturschutz-Gespann“. Foto: privat

Von seinem ersten Geld kaufte sich Fritz Brozio ein Fernglas. Damals – vor mehr als 50 Jahren – studierte er in Potsdam, um Fachlehrer für Biologie und Chemie zu werden. Das Fernglas war eine wichtige Anschaffung, denn der Zwanzigjährige interessierte sich für Vögel und hatte bereits mit seinen Kommilitonen eine studentische Arbeitsgemeinschaft für Ornithologie gegründet. Die Erfahrung des gemeinsamen Unterwegseins und gegenseitigen Lernens hat den jungen Studenten geprägt. Deswegen setzte er auch später immer wieder auf das Miteinander mit Gleichgesinnten. Aber schon bald ging es nicht mehr nur darum, die einzelnen Vogelarten kennenzulernen. Während des Studiums wurde auch schon der Forscher in ihm geweckt. Denn die Studenten wurden seinerzeit intensiv bei der Arbeit der Zentrale für Wasservogelforschung und der Erstellung der ersten avifaunistischen Werke Brandenburgs eingebunden.

Seiner Liebe zur Ornithologie blieb Fritz Brozio auch später im Schuldienst treu. Er versuchte nicht nur, seine Schüler für dieses schöne Hobby zu gewinnen; er engagierte sich auch ehrenamtlich — zunächst in der Fachgruppe Ornithologie beim Kulturbund Niesky, die unter Franz Menzel stand; später in der neu gegründeten Fachgruppe für Weißwasser.

Eröffnung der Naturschutzstation Braunsteich im Jahr 1993, Foto: Iris Rumplasch

Ende der Siebziger gab es den ersten Kontakt zum ehrenamtlichen Naturschutzdienst und dieser war für den Hobbyornithologen recht einschneidend. Denn der damalige Kreisnaturschutzbeauftragte Reinhold Herrmann brummte ihn an: „Du kannst nicht immer nur um die Teiche rennen.“ Der Altvater des Naturschutzes in Weißwasser lenkte zugleich den Blick auf den gesamtheitlichen Naturschutz. So wichtig das Beobachten und Dokumentieren des Vogelbestandes auch sei; man muss auch etwas für dessen Erhaltung tun. So gewann er in Fritz Brozio nicht nur einen neuen Naturschutzhelfer, sondern auch einen Nachfolger, der 1988 das Amt als Kreisnaturschutzbeauftragter im Altlandkreis Weißwasser übernahm.

Birkhuhn im Herrmannsdorfer Revier,
Foto: Dieter Schernick

Mit der politischen Wende 1989 stand Fritz Brozio vor einer großen beruflichen Änderung. Er hing den Lehrerberuf an den Nagel, um die staatliche Naturschutzverwaltung mit aufzubauen. Das war auch die Zeit, als für den inzwischen Vierundvierzigjährigen ein großer Traum in Erfüllung ging. Wie so viele Ehrenamtliche wünschte sich Fritz Brozio eine Naturschutzstation. Und das aus gutem Grund: Für die praktische Naturschutzarbeit braucht es einen festen Ort, an dem sich Gleichgesinnte treffen können. Es braucht einen Platz, um die anwachsende Ausrüstung zu verstauen. Und es braucht Räume, in denen man sich auch mal drinnen mit Naturschutz befassen kann. Bestenfalls ist eine solche Station auch in der Nähe von Gebieten, die sich für Naturbeobachtungen eignen. All das setzte Fritz Brozio mit dem Elan, der so viele engagierte Naturschützer nach der Wende ergriff, am Braunsteich bei Weißwasser um. Doch leider war der 1993 eingeweihten Naturschutzstation kein langes Dasein beschieden. Wie fast alle staatlichen Verwaltungen verabschiedete sich auch der damalige Niederschlesische Oberlausitzkreis Anfang 2000 von dieser freiwilligen Aufgabe.

Für Fritz Brozio war das kein Anlass, um die Flinte ins Korn zu werfen. Er erkannte schnell, dass die praktische Naturschutzarbeit eine neue Heimat finden kann: bei den Vereinen. Und nun zahlte sich aus, dass der Vollblut-Naturschützer zu jenen gehört, die auch als Hauptamtliche immer auch mit einem Bein im Ehrenamt stehen. Und so ging die Erledigung der Aufgaben der Naturschutzstation Schritt für Schritt an die seit 1990 bestehenden NABU Regionalgruppe Weißwasser über, die heute ihren Sitz an der Station Junge Naturforscher Weißwasser hat, wo heute die zahlreichen Exkursionen, Arbeitseinsätze und  Vorträge organisiert werden.

Die ehrenamtliche Arbeit erfolgt nach einer Naturschutzstrategie, die auf fachlichen Vorarbeiten von Dr. Karl Heinz Großer fußt und von den ehrenamtlich Tätigen erstellt wurde. Danach wurden ab 1990 neue Naturschutzgebiete einstweilig gesichert, wie der Trebendorfer Tiergarten, der Südteil des Braunsteiches, das Hammerlugk Weißkeißel, später Teile der Innenkippe Nochten  und die mehrmalige Erweiterung des NSG „Niederspree“ mit heute 2014 ha Fläche. In der Bergbaufolgelandschaft des Tagebaues Nochten sind ca. 1600 ha Naturschutzvorrang- und -vorbehaltsfläche als Kompensation für den Eingriff ausgewiesen und werden aktuell durch das Unternehmen hergestellt. Weiteres dazu ist im heimatkundlichen Heft 8 des ehemaligen Landkreises Weißwasser nachzulesen.

Parallel dazu hat Fritz Brozio immer auch Zeit für die wissenschaftliche Naturschutzarbeit gefunden. Mit einer erstaunlichen Ausdauer widmet er sich seit 40 Jahren den Beobachtungen des Birkhuhns, für die er auch etliche Mitstreiter gewonnen hat. Außerdem ist er seit 1990 nicht nur im NABU aktiv, sondern auch in der Naturforschenden Gesellschaft der Oberlausitz, für die er derzeit den Vorsitz innehat.

Wenn man den vielseitigen Naturschützer fragt, warum er so viel Zeit in seine Ehrenämter investiert, bekommt man eine gleichermaßen kurze wie aussagekräftige Antwort: „Das steckt tief im Inneren drin.“ Für ihn ist die Schönheit der Natur das Wichtigste — quasi ein Lebenselixier und entscheidender Antrieb für sein breitgefächertes Wirken zur Erhaltung seiner Heimat.        

Text: Jeannette Gosteli, Kreisnaturschutzbeauftragte

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Botanikfreunde wie Christine Brozio begeben sich oft auf Augenhöhe mit ihren Entdeckungen – natürlich aus praktischen Gründen beim Bestimmen oder Fotografieren; es symbolisiert aber auch die innere Haltung, den Respekt vor der Kreatur. Foto: Fritz Brozio

Wenn die einstige Fachlehrerin für Biologie Christine Brozio über ihre Naturschutzaktivitäten befragt wird, dann fällt auf, dass sie immer vom „Wir“ spricht: wir Biolehrer, wir Naturschutzhelfer, wir vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Die agile Frau aus Rietschen sieht sich nicht nur in eine große Naturschutzfamilie eingebunden, sie hat auch ihr eigenes vielfältiges Wirken immer als großes Ganzes empfunden. Daher sagt sie auch: „Wir haben das nie getrennt: wir als Lehrer oder wir als Ehrenamtliche; beides floss ineinander.“

Christine Brozio wollte – wie so viele engagierte Biologielehrer ihrer Generation – den Schülern nicht nur den vorgegebenen Lehrstoff vermitteln; sie wollte den jungen Menschen auch etwas von ihrer Liebe zur Natur weitergeben. Dazu nutzte sie den regulären Unterricht und noch mehr die außerschulischen Möglichkeiten. 

Botanische Bestimmungsübungen mit Schülern im Rahmen des Spezialistenlagers 2013 in Reichwalde, Foto: Christine Brozio

Für die Lehrerschaft war es früher zudem selbstverständlich, sich auch ehrenamtlich zu engagieren. Und so gab es kaum einen Biologielehrer, der nicht zugleich auch Mitglied in einer Fachgruppe oder im ehrenamtlichen Naturschutzdienst war. Und Schule wie Naturschutz profitierten von dieser häufig praktizierten Doppelfunktion.

Wenn Christine Brozio ein Beispiel für dieses Ineinander von schulischem und ehrenamtlichem Engagement nennen soll, fallen ihr sogleich die Spezialistenlager für botanisch interessierte Schüler ein. Die ursprüngliche Idee stammt von Hans-Werner Otto, der 1963 erstmals ein 14-tägiges Zeltlager für junge Botaniker, Zoologen und Hydrologen in Lieske/Spree organisierte. Der in Bischofswerda lebende Biologielehrer und passionierte Botaniker wollte auf diese Weise vor allem Nachwuchs für die Naturschutzarbeit heranziehen. Diese Begabtenförderung fand schnell Mitstreiter und Nachahmer. Seit 1973 hat auch Christine Brozio solche biologische Ferienlager mitgestaltet. Rückblickend sagt sie: „Es ging darum, junge Leute für die Natur zu begeistern, ihren Blick zu schärfen und zugleich Sachkenntnis zu vermitteln.“

Moosauge (Moneses uniflora), auch Einblütiges Wintergrün genannt, Foto: Christine Brozio

Im Jahr 1990 wurde Christine Brozio Fachberaterin für Biologie und in dieser neuen Funktion widmete sich nun auch intensiv der Organisation der Spezialistenlager. Unter ihrer Regie wurde das Angebot stark erweitert. Organisation und pädagogische Betreuung lagen weiter in der Hand der Schule, aber sie band auch weitere Fachleute ein, die die Schüler inhaltlich anleiteten. So konnten auch die Themenfelder erweitert werden: Jetzt wurden auch junge Herpetologen, Ornithologen und Entomologen herangebildet. Aber Christine Brozio ist nicht nur jemand, der etwas aufbauen kann; sie hat es auch gelernt, wieder loszulassen. Dass sie mit 70 Jahren die Spezialistenlager guten Gewissens in andere Hände geben konnte, ist ihr gelungen, weil sie gezielt jemanden gesucht und eingeführt hat. „Aber danach“, so weiß die inzwischen pensionierte Fachlehrerin, „muss man sich zurückziehen und die Nachfolger machen lassen, auch wenn sie manches anders angehen“.      

Sand-Tragant (Astragalus arenarius), Foto: Christine Brozio

Die enge Verbindung zwischen Schule und ehrenamtlichem Naturschutz zeigte sich auch bei den Leistungskursen Biologie, für die Christine Brozio eine geniale Idee hatte. Ende der achtziger Jahre begann sie, die Entwicklung der jungen Bergbaufolgelandschaft bei Boxberg zu dokumentieren. Natürlich nicht sie allein! Sie band ihre Schüler ein, die damals im Rahmen des Unterrichts mit kleinen wissenschaftlichen Arbeiten betraut wurden. Durch die kontinuierliche pädagogische Betreuung konnten so über die Jahre Veränderungen erfasst werden. Zugleich lenkte sie auch die Aufmerksamkeit von Naturschutzhelfern und anderen Fachleuten auf diese wertvollen Flächen, vor allem auf das Naturschutzgebiet „Innenkippe Nochten“.  

Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Botanik beim gemeinsamen Botanisieren, Foto: Fritz Brozio

Als ob sie mit ihrem außergewöhnlichen Engagement als Biologielehrein nicht schon genug zu tun hatte, ließ sich Christine Brozio vor knapp zwanzig Jahren noch für eine weitere Aufgabe begeistern. Der damalige Kreisnaturschutzbeauftragte Reinhard Göpfert kam auf sie zu und zeigte ihr die weißen Flecken im Pflanzenatlas. Große Landstriche waren einfach noch nicht gut botanisch untersucht. Auch hier zeigte sich wieder, dass Christine Brozio andere mitreißen kann. Sie gewann schnell Mitstreiter und rief die Arbeitsgemeinschaft Botanik ins Leben, die an die NABU-Regionalgruppe Weißwasser angebunden wurde. Es ist nicht nur die gemeinsame Freude beim Fund neuer botanischer Kostbarkeiten, die den Zusammenhalt der Truppe ausmacht; Christine Brozio ist vor allem fasziniert, wenn alles ineinander greift. Sie nennt als Beispiel das Kesselmoor Sagoinza bei Gablenz: „Hier hat ein Schüler die botanische Erfassung gemacht, die Experten der Arbeitsgemeinschaft Botanik unterstützten dabei und leiteten daraus notwendige Pflegemaßnahmen ab, die Naturschutzbehörde holte Fördermittel heran und die Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz kümmerte sich schließlich um die praktische Umsetzung.“ Christine Brozio strahlt dabei – völlig zu Recht!

Text: Jeannette Gosteli, Kreisnaturschutzbeauftragte

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